Rund ums Bier
Das deutsche Reinheitsgebot
„Ganz besonders wollen wir, daß forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.“
Dieser Satz feiert auf den Tag genau am 23. April Geburtstag. Er bildet den Hauptbestandteil der ältesten heute noch geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschrift der Welt: dem deutschen Reinheitsgebot. 1516 erlassen von Herzog Wilhelm IV. von Bayern verbindet man heutzutage mit dem Reinheitsgebot in der ganzen Welt ein hohes Qualitätsversprechen an das deutsche Bier.
Mit einer Geschichte, die bis ins Jahr 3000 vor Christus zurückreicht, zählte Bier besonders im Mittelalter zu den Grundnahrungsmitteln der Bevölkerung. Durch den Prozess des Würzekochens, die Beigabe von Hopfen und den enthaltenen Alkohol ist Bier nahezu keimfrei und war dadurch im Mittelalter sogar reiner als Wasser. Trotzdem gab es Qualitätsprobleme: Bis zur Einführung des Reinheitsgebots wurden die kuriosesten Zutaten zum Bierbrauen benutzt – nicht selten mit einem gewissen Risiko. Neben Binsenkraut oder Wurzeln kamen auch Stechapfel, Ruß oder Pech zum Einsatz. Dies konnte im harmlosesten Fall zu einer Magenverstimmung oder einem gewissen Rauschzustand führen. Schlimmstenfalls erlitt man eine Vergiftung mit Todesfolge. Durch entsprechende Bier-Verordnungen, auch schon vor 1516, sollte die Qualität des Bieres verbessert und gesichert werden.
Vorläufer für das heute bekannte Reinheitsgebot wurden unter anderem 1156 in Augsburg, 1293 in Nürnberg oder 1363 in München erlassen. Die konkrete Beschränkung der Rohstoffe auf Hopfen, Malz und Wasser erfolgte das erste Mal am 30. November 1487 durch Herzog Albrecht IV. in München. Genau diese drei Rohstoffe bestimmte auch die Urfassung des deutschen Reinheitsgebotes zum Bierbrauen.
Das Brauwasser ist mengenmäßig betrachtet mit mehr als 90 Prozent die Hauptzutat bei der Bierherstellung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es auch ganz entscheidenden Einfluss auf das Bier hat. Je nach Herkunft variieren die enthaltenen Mineralstoffe und Spurenelemente des Wassers. Dies hat Auswirkungen auf Geschmack, Schaum und Haltbarkeit des Bieres. Helle, hopfenbetonte Biere wie beispielsweise Pilsener werden mit eher weichem Wasser gebraut, während dunkle Biere härteres Wasser benötigen.
Die Farbe der Biere wird durch das Malz bestimmt: Je kräftiger ein Malz gedarrt, also geröstet wird, desto dunkler und malzbetonter ist das Bier. Laut des ursprünglichen Reinheitsgebots sollte lediglich Gerste verwendet werden, obwohl technologisch alle Getreidearten zum Bierbrauen geeignet sind. Weizen war 1516 ausschließlich zum Brotbacken gedacht und daher grundlegend für die Ernährung der mittelalterlichen Bevölkerung. Eine Verwendung von Weizen im Bier hätte das Bäckerhandwerk stark eingeschränkt.
Dem Hopfen als dritte Brauzutat kommen mehrere Funktionen zu: Aufgrund des enthaltenen Enzyms Lupulin hat Hopfen eine antiseptische Wirkung – es macht Bier haltbar. Dazu bringt der Hopfen eine gewisse Bittere ins Bier. Doch je nach Zeitpunkt der Hopfengabe wirken die Dolden auch wie ein Gewürz, das für ganz besondere Aromen im Bier sorgt.
Die Hefe, die, wie wir heute wissen, auch eine der entscheidenden Grundzutaten und Geschmacksgeber ist, war zur Zeit des Erlasses noch nicht erforscht und galt zunächst sogar als Produkt des Bierbrauens. Erst viel später, nämlich 1881, gelang es dem Dänen Emil Christian Hansen, einzelne Hefezellen zu isolieren und damit im nächsten Schritt reine Hefestämme zu züchten. Bis dahin war die alkoholische Vergärung der Würze mittels der Hefe ein Zufallsgeschehen und kaum kalkulierbar.
Neben der Einschränkung der Rohstoffe und der Qualitätssicherung des Endproduktes ging es Herzog Wilhelm IV. auch darum, zu hohe Bierpreise in seinem Land zu verhindern.
Dies schätzten auch andere Landesherren und übernahmen die bayerische Verordnung, so in Baden 1896 oder Württemberg 1900. Den vollständigen Siegeszug trat das Gesetz dann am 7. Juni 1906 an, als es durch das Reichsgesetz auch für die damalige Norddeutsche Biersteuergemeinschaft verbindliche Geltung erlangte und offiziell in ganz Deutschland geltend gemacht wurde. Dies zeigt deutlich, dass Bier als Genuss- und Kulturgut bereits im Mittelalter einen hohen Stellenwert hatte und geschützt werden musste.
Seit 1994 wird die Einführung des Reinheitsgebots auch landesweit gefeiert: Der 23. April ist zum Tag des deutschen Bieres erklärt worden und bietet vielerorts Anlass für Bierfestivals, Brauereiführungen und Bierseminare.